Jens Stoltenberg

Stoltenberg in der Ukraine NATO hat "nicht geliefert wie versprochen"

Stand: 29.04.2024 19:14 Uhr

NATO-Generalsekretär Stoltenberg reist zum dritten Mal seit Kriegsbeginn in die Ukraine. Im Gepäck: Kritik an den Bündnisstaaten. Zusagen für Waffenlieferungen seien nicht eingehalten worden.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat dem Militärbündnis Versäumnisse bei zugesagten Lieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine bescheinigt. "NATO-Verbündete haben nicht geliefert, was sie versprochen haben", kritisierte Stoltenberg bei einem Besuch in Kiew mit Blick auf verspätete Lieferungen von Waffen und Munition. Das habe für die Ukraine "schwerwiegende Folgen auf dem Schlachtfeld".

Die Ukraine leidet an Munitionsmangel, weil unter anderem die Mittel für ein wichtiges US-Hilfspaket monatelang im Kongress blockiert waren und die Produktion im Westen den Bedarf Kiews nicht decken kann. Russland erhält dagegen nach US-Angaben Waffen aus dem Iran und Nordkorea, während die ukrainischen Verteidiger erschöpft sind.

Nachdem die neuen US-Mittel endlich freigegeben sind, befinden sich die Ukraine und ihre westlichen Partner in einem Wettlauf gegen die Zeit, um neue Militärhilfe bereitzustellen. So soll der langsame und verlustreiche, aber stetige Vormarsch der Russen in der Ostukraine eingedämmt und Drohnen- und Raketenangriffe vereitelt werden.

Munition und Waffen kommen - aber langsam

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, erste neue westliche Lieferungen seien eingetroffen, allerdings nur langsam. "Dieser Ablauf muss beschleunigt werden", drängte er. Stoltenberg sagte, zusätzliche Waffen und Munition für die Ukraine seien unterwegs, darunter "Patriot"-Abwehrraketen, mit denen das Land russische Angriffe auf seine Energie-Infrastruktur abwehren könnte. Er räumte ein: "Der Mangel an Munition hat es den Russen erlaubt, entlang der Frontlinie vorzustoßen. Das Fehlen von Flugabwehr hat es möglich gemacht, dass mehr russische Raketen ihre Ziele treffen, und der Mangel an Möglichkeiten für weitreichende Schläge hat es den Russen erlaubt, stärkere Kräfte zu konzentrieren."

Die Ukraine sah sich nach Angaben von Generalstabschef Olexander Syrskyj wegen des materiellen und personellen Übergewichts der Russen bereits am Wochenende zu taktischen Rückzügen gezwungen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, seine Streitkräfte hätten auch das Dorf Semeniwka eingenommen.

Große Sommeroffensive Russlands befürchtet

Russland sammelt nach ukrainischen Angaben Kräfte für eine große Sommeroffensive. Derzeit machen die Invasionstruppen allerdings nur geringe Fortschritte, wie die in Washington beheimatete Denkfabrik Institute for the Study of War mitteilte. "Es bleibt unwahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte in naher Zukunft ein tieferes, operativ bedeutsames Eindringen in das Gebiet erreichen werden", schätzte das ISW. Allerdings näherten sich die Russen der auf einer Anhöhe gelegenen Stadt Tschassiw Jar, von der aus weitere Vorstöße in die Region Donezk möglich seien.

Dämpfer für Hoffnung auf NATO-Mitgliedschaft

Auch mit Blick auf eine rasche Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO dämpfte Stoltenberg die Hoffnungen des Gastgebers. Er sei fest davon überzeugt, dass der Ukraine ein Platz in der NATO zustehe, und er arbeite hart daran, dass die Ukraine Mitglied des Bündnisses werde, sagte der Norweger bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. Um eine Aufnahmeentscheidung treffen zu können, brauche es allerdings einen Konsens unter den 32 Bündnismitgliedern. Und er erwarte nicht, dass dieser bis zum nächsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im Juli zustande kommen werde.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. April 2024 um 18:44 Uhr.